Der Wettbewerb zwischen den Kassen führt zu tieferen Tarifen
Diese Behauptung gehört zu den Kernaussagen der Ökonomie und ist auch in praktisch jedem Lehrbuch aufgeführt. Tatsächlich lässt sich diese Behauptung wissenschaftlich nicht beweisen. Die sogenannte Theorie des Wettbewerbs basiert auf frei erfundenen Annahmen, die massgeschneidert wurden, um das von Ökonomen gewünschte Ergebnis zu erzwingen. So ist ein wesentlicher Pfeiler der Theorie die Annahme, dass die Produktions-Kosten ansteigen, je mehr Einheiten produziert werden. Diese sogenannt typische U-förmige Kostenkurve widerspricht nicht nur der Intuition (je mehr ich produziere, desto billiger wird doch das Einzelstück), sondern auch der realen Praxis: Eine Umfrage durch Alan Blinder, Ex-Vizepräsident der American Economic Association, bei 200 grossen US-Firmen in 1998 ergab, dass bei knapp 9 von 10 Firmen die Stückkosten entweder konstant sind (48%) oder stetig sinken (41%). Nur rund 11% der Firmen gab an, dass die Stückkosten ab einer gewissen Menge wieder ansteigen. Die Annahme steigender Stückkosten widerspricht daher der beobachtbaren Realität. Sie ist auch nicht etwa eine Vereinfachung oder Idealisierung. Eine solche würde gerade das Gegenteil tun, nämlich die "Ausreisser", d.h. die 11%, ignorieren. Die Annahme ist also frei erfunden. Dies ist kein Detail, denn die Theorie des Wettbewerbs fällt komplett in sich zusammen, wenn ihr eine andere als die durch die Praxis widerlegte Annahme zugrunde gelegt wird.
Computersimulationen widerlegen behauptete Effekte des Wettbewerbs
Dass die Theorie auf frei erfundenen Annahmen basiert, ist vermutlich der Grund, weshalb sich die behaupteten Effekte eines Wettbewerbs, d.h. grössere Mengen zu tieferen Preisen, in Computersimulationen nicht reproduzieren lassen. Simuliert man nämlich einen solchen Wettbewerb auf einem Computer, dann erhält man konsistent dieselben Ergebnisse für einen Teilnehmer (=Monopol), wie für 10'000 (=Wettbewerb).
Diese Tatsachen sind der ökonomischen Lehre seit mindestens 10 Jahren bekannt. Dass sie dieselben widerlegten Tatsachen dennoch weiterbetet, zeigt nur, dass die Ökonomie keine wertefreie Wissenschaft ist, sondern eine ideologische Pseudo-Wissenschaft.
Quellen:
- Russell K. Standish, Steve Keen. Emergent Effective Collusion in an Economy of Perfectly Rational Competitors. Proceedings of the 7th Asia-Pacific Conference on Complex Systems, Australia, 2004
- Steve Keen, Russell Standish. Debunking the theory of the firm. real-world economics review (53), 2010
- Steff en Huck, Hans-Theo Normann, and Jorg Oechssler. Zero-knowledge cooperation in dilemma games. Journal of Theoretical Biology, 220:47-54, 2003.
- Steff en Huck, Hans-Theo Normann, and Jorg Oechssler. Through trial and error to conclusion. International Economic Review, 45(1):205-224, 2004.
Ein bewährtes System sollte man in Ruhe lassen
Statt selbst eine Antwort zu geben, soll George Theiler das Wort haben, der ehemalige Luzerner Nationalrat der FDP-Die Liberalen (Arena vom 3. Oktober 2008, 18 min 15 sek nach Beginn):
Bei der Einführung des Strommarktes hatte man gegen den Volkswillen (das Volk hatte 2002 das Energiemarktgesetz mit 52.6% verworfen) ein sogar in Krisensituationen bewährtes System über den Haufen geworfen, ohne jeden Grund und ohne jede Rücksichtnahme auf allfällige Umstellungskosten. Und das Ergebnis ist bekannt: "am andern Tag kostet[e] es 20% mehr". Ob (angeblich) Bewährtes umgestossen wird, ist daher vollkommen irrelevant. Denn ob "Bewährtes" zu erhalten ist, oder grundlos umgestossen werden kann, ob Umstellungskosten egal oder entscheidend sind, hängt nur davon ab, ob die wirtschaftlichen Interessen für oder gegen den Erhalt der Sache sind.
Ist doch eigenartig, Herr Schweickardt. Wir haben bisher ein gut funktionierendes Stromnetz gehabt. Das ist ein Verdienst der Strombranche. Wir haben praktisch keine Pannen, wir haben eine hohe Reservehaltung, damit das alles ständig funktioniert, auch in Krisensituationen. Jetzt ändern wir ein Gesetz und organisieren den Mechanismus um, und am andern Tag kostet es 20% mehr.
Diese Art der Inkonsistenz in der Argumentation ist typisch für Liberale. Tatsächlich sind ihre Argumente nur unter einem Gesichtspunkt vollkommen konsistent:
Wenn der Mittelstand zahlt, sind Liberale dafür.Solange der Mittelstand am Ende bezahlt, kann auch in Krisensituationen Bewährtes grundlos umgestossen werden, und wenn es dem Mittelstand nützen würde, darf auch schlecht Funktionierendes nicht angetastet werden. Es ist dann sogar vollkommen gleichgültig, ob es sich um Kern-Anliegen der Liberalen handelt:
Wenn der Mittelstand profitiert, sind Liberale dagegen.
- Eigentum. Das Eigentum ist den Liberalen heilig. Ausser, wenn es der Ausbeutung des Mittelstands im Wege steht. So wurden bei der Einführung des Strommarktes die Strombetreiber enteignet, und sie mussten ihre Netz-Infrastruktur der Nationalen Netzgesellschaft Swissgrid überschreiben. Und bei der Einführung der 18xx-Telefon-Auskunftsdienste musste die Swisscom ihre jahrzehntelang gebräuchliche und allbekannte Marke, die Kurznummer 111, aufgeben.
- Freihandel. Der Freihandel ist neben dem Eigentum ein unantastbares Dogma: Je mehr Freihandel, desto besser! Ausser, wenn der Mittelstand profitiert. Bei Abstimmungen im Nationalrat stimmten die Liberalen jeweils konsistent und geschlossen gegen freien Parallelimport.
- Wettbewerb. Sogar der Heilige Wettbewerb, der in der Debatte um die Einheitskasse von den Liberalen bei jeder Gelegenheit bemüht wird, zählt nichts, wenn der Mittelstand profitiert. So stimmen Liberale im Nationalrat konsequent gegen jede Aufweichung preistreibender Kartelle.